Im Unterricht gemeinsam erarbeitete Stellungnahme, als
Offener Brief an den Autor der "24 Gründe, kein Weihnachten zu feiern"
adressiert
Offener Brief:
Lieber Herr *** (Daten ab 2003 anonymisiert),
durch einen Hinweis in einer Newsgroup (news:de.soc.weltanschauung.christentum)
sind wir auf Ihre Seiten
"24 Gründe, kein Weihnachten zu feiern" aufmerksam geworden.
Wir beschäftigen uns als Religionskurs Klasse 11 eines Gymnasiums
in Friedberg/Hessen ausführlich mit dem Thema Weihnachten. Dazu nehmen
wir an einem Internetwettbewerb
teil, in dem unsere Arbeitsergebnisse veröffentlicht werden.
Wir formulieren unsere Kritik als Offenen Brief, um damit auch eine
größere Diskussion anzuregen.
Wir haben Ihre Thesen intensiv im Unterricht unabhängig von Ihrer
persönlichen Religionszugehörigkeit bearbeitet und diskutiert.
Dabei standen zwei Fragen im Vordergrund:
- Sind die Argumente und die Argumentationsweise des Autors (***) stichhaltig?
Können seine genannten "Gründe, Weihnachten nicht zu feiern" überzeugen?
- Inwiefern könnte ein moderner protestantischer Theologe, diese Argumente
***s nachvollziehen oder kritisieren? (Dazu bezogen wir uns auf einen Text
von Gerhard Gloege: Die Menschwerdung Gottes und der moderne Mensch. Weihnachten;
in: Die Feste der Christenheit und der moderne Mensch; Evangelisches Verlagswerk
Stuttgart, 1968, 27-39)
Als Zusammenfassung haben wir eine Stellungnahme verfasst,
die sich auf Ihre in "Etagen" geordneten Argumente bezieht:
zur I. Etage: "Warum wird Weihnachten im Dezember gefeiert?"
Wir haben ihre Gründe 1-7 bearbeitet und sind zu dem Schluß
gekommen, dass Sie zwar sicher Recht haben, was den historischen Wahrheitsgehalt
des Datums betrifft. Allerdings ist das für uns kein Grund, Weihnachten
nicht zu feiern.
Sicherlich ist der 24. Dezember als tatsächliches Geburtsdatum
stark anzuzweifeln, aber das wichtigste ist doch, dass Jesus geboren wurde
(s.u.). Das gefeierte Datum ist ein Ergebnis der Kirchengeschichte und
somit sicherlich anfechtbar, aber es ist sicher nicht falsch, wenigstens
einmal im Jahr, auch als Nichtchrist, Jesus zu gedenken. Wir halten es
für notwendig und beachtenswert, dass sich die gesamte Christenheit
aller Kirchen und Konfessionen auf beinahe ein einziges Datum geeinigt
hat. Zumindest in Europa halten wir auch den Dezember durch seine Symbolik
für sehr geeignet.
Außer der Bibel sind die meisten Quellen, die sie anführen,
um Ihre Argumente zu belegen (z.B.die "Wieslocher Woche") bestimmt nicht
ausschlaggebend für die gesamte Christenheit. Solange man über
Geschenke, den Baum, das Essen usw. den eigentlichen Grund nicht übersieht,
sollte man getrost Weihnachten feiern, denn es kommt auf einen selbst an,
was man aus dem Fest macht. (s.u.)
zur II. Etage: Welche Werte vermittelt das Weihnachtsfest?
Wir haben uns mit Ihren Thesen 8-13 auseinandergesetzt. Dabei kristallierte
sich als ihre entscheidende Forderung folgendes heraus: Eine Rückbesinnung
auf die eigentlichen Gründe Weihnachtens. Dabei spielt die Kritik
der Kommerzialisierung eine wichtige Rolle.
Wir stimmen ihnen zwar zu, dass Weihnachten mehr und mehr zu einem
reinen Fest der Geschenke wird. Aber bitte bedenken Sie, dass auch in der
Bibel schon von Geschenken die Rede ist: So brachten bereits die Weisen
in Matthäus 2, 11 Jesus Geschenke. Geschenke sind also nicht nur eine
schöne Tradition, sondern als Brauch auch biblisch belegt und sollten
deshalb auch heute beibehalten werden, solange man dabei den eigentlichen
Sinn von Weihnachten nicht vergisst. Das könnte z.B. die christliche
Weihnachtsbotschaft (Gott wird Mensch) sein.
Wir kommen auch ohne einen Weihnachtsmann aus (Grund 12/13). Außerdem
ist es sehr schwierig heidnische Elemente (auch in der Bibel) von der fundamentalen
Weihnachtsaussage der Bibel zu trennen.
Zur III. Etage: Welche Auswirkungen hat das Weihnachtsfest?
Sie beschreiben, dass speziell zu Weihnachten besondere Gefahren
und Probleme entstehen.Wir finden, dass diese Gründe sehr weit hergeholt
sind. Die Probleme, die sie ansprechen, können auch das ganze Jahr
über vorkommen. In den Gründen 16-18 beschreiben Sie komplexe
Themen der Gegenwart, die allerdings auf keinen Fall ausschließlich
auf Weihnachten alleine zurückzuführen sind.
Beispiele:
Grund 16: (Familien-Streß und Verwandten-Besuche): Familiäre
Streitigkeiten kommen auch zu anderen Jahreszeiten vor. Nach unserer Erfahrung
lassen sich die möglichen Probleme durch eine bessere Planung, Absprachen
und Organisation des Festes verringern.
Grund 17 (Weihnachtsbäume sind schädlich für die Umwelt):
Weihnachtsbäume werden speziell für das jährliche Schlagen
auf besonderen Böden angepflanzt. Wenn Sie hier derart vage
ökologische Gründe anführen, könnte man beispielsweise
auch ökonomische Argumente angeben, z.B. den Beitrag Weihnachtens
zum Wirtschaftswachstum im Dezember bzw. die Umsatzsteigerung im Einzelhandel
(Sicherung von Arbeitsplätzen).
Grund 18 (Sechs-Monatshaustiere als Weihnachtsgeschenke): Haustiere
werden leider auch zu anderen Gelegenheiten zu oft unüberlegt verschenkt.
Meinen Sie diese Gründe wirklich ernst? Wir vermuten, dass sie viele
Aspekte nur zur Vervollständigung Ihres "Weihnachtskalenders" benötigen.
Leider werden dadurch auch Ihren bedenkenswerten, realistischen Gründe
abgewertet.
Gerade diese Gründe überzeugen uns jedoch alle nicht, Weihnachten
ausfallen zu lassen.
Zur IV. und V. Etage: Was lehrt uns die Vergangenheit von Weihnachten?
Ihre Gründe 20-24, Weihnachten nicht zu feiern, können wir nicht
vertreten. In den Gründen 20-23 sagen Sie, dass man das Heidentum,
ihre Feste, Bräuche und Symbole meiden soll und sich nur auf Gott
als Herrscher alleine beziehen soll.
Dies belegen Sie mit Bibelstellen, doch vergessen Sie, dass in der
Bibel auch steht, dass alle Menschen auf der von Gott geschaffen sind.
Der christliche Glaube sollte also auch Toleranz gegenüber nicht-christlichen,
sog. heidnischen Positionen üben.
Auch der Grund 24, der besagt, dass wir durch Weihnachten jedes Jahr
Jesus Christus nur als Baby sehen und somit Gotteslästerung
betreiben, ist nach unserer Meinung nicht richtig. Denn wir feiern die
Geburt Jesus Christus, der sich gerade als wahrer Mensch und nicht nur
als Herrscher auf der Erde verwirklicht hat.
Falls Sie auf unsere Stellungnahme reagieren wollen, können Sie
uns mit der Post etwas schicken:
eR 11 Sh
Burggymnasium
Burg 8
61169 Friedberg
Oder eben auch per Email an unseren Lehrer: Herr
StR Sach
Übrigens: Was für ein Motorrad fahren Sie denn? Haben Sie
denn den großen 1er?
Herzlichen Dank für die Anregungen durch Ihre Thesen und die freundliche
Aufnahme unserer Anmerkungen .
Ihr Religionskurs 11aus Friedberg
bearbeitet im Januar 1998